Lange hatte ich überlegt, ob ich diese Reise machen sollte, aber letztendlich hatte mein Herz die Entscheidung schon längst getroffen. Also buchte ich die Reise und meine ebenso pferdeverrückte Mama begleitete mich in dieses Abenteuer.
Unsere Reise begann zunächst in der wunderschönen kroatischen Hafenstadt Split. Hier genossen wir die Sonne und vorsommerliche Temperaturen. Wir schlenderten durch die Altstadt mit ihren engen Gassen, promenierten an Strand und Hafen, wanderten durch die Parks und ließen uns kulinarisch verwöhnen. Hausgemachte Gnocci mit leckerer Tomatensoße, frischen Fisch und cremiges Eis. Hmm, einfach lecker! Der erste Sonnenbrand ließ auch nicht lange auf sich warten.
Dann ging es endlich los zu den Wildpferden nach Livno in Bosnien. Ein Ranger holte uns abends in Split am Busbahnhof ab und nach 1 1/2 Std. Fahrt erreichten wir Livno. Der Unterschied zwischen Split und Livno könnte größer nicht sein. Während die kroatische Hafenstadt mit südländischem Flair, vielen Touristen und einem quirligen Leben aufwartet, so gibt sich Livno sehr ruhig und eher menschenleer. Der Krieg hat seine Spuren hinterlassen und wie ein Mahnmal sieht man schon von weitem die vielen weißen Kreuze am Hang hinter der Stadt. Die meisten Einwohner haben die Stadt verlassen und versuchen in Deutschland Arbeit zu finden. Mit dem dort verdienten Geld bauen sie sich Häuser in Livno, wohin sie sich dann im Alter zurückziehen können. Hier beträgt der durchschnittliche Monatslohn, wie man uns sagte, circa 300-400 Euro. Ein Hauptgericht im Restaurant kostet umgerechnet 4 Euro und eine kleine Cola gibt es für 1,25 Euro. Wir kommen uns reich und arrogant vor. Die Stadt vergreist und die verbleibende Bevölkerung wirkt auf uns verschlossen und verbittert. So erzählte uns ein Ranger, wie enttäuscht und wütend er auf die Politker des Landes ist, die sich nur um ihr eigenes Wohlergehen kümmern, statt sich um das Land sorgen. Bosnien hat seine Chance nach dem Krieg vertan. Während Kroatien sich der EU zuwandte, die Bereiche Industrie und Tourismus wieder aufbaute, verharrte Bosnien in seiner Lethargie. Seiner Meinung nach wird das Land weiterhin ein „Armenhaus“ ohne Perspektive bleiben. Dies finde ich wirklich sehr schade, denn die Landschaft, die ich dort vorfand, ist wunderschön.
Doch nun auf zu den Wildpferden. Unsere Gruppe bestand aus 6 Personen und der Leiterin der Tour. Um 5 Uhr morgens ging es mit zwei alten Autos auf in das Gebiet, wo die Pferde leben. Wir hatten Glück und trafen schon nach einer Stunde auf die erste große Herde. Wir verließen die Autos und näherten uns zu ihnen zu Fuß. Es war überwältigend. Man befand sich inmitten einer spektakulären Natur in den Bergen oberhalb Livnos , umringt von einer Herde Wildpferden. Skeptisch wurden wir beäugt und einige neugierige Jungpferde trauten sich sogar an uns heran. Einige wichen bei der kleinsten Bewegung unsererseits panisch etwas zurück, andere leckten unsere Jacken ab und ließen sich sogar von uns am Kopf berühren. Ich durfte einer Schimmelstute sogar mehrere Minuten ausgiebig den Kopf kraulen. Der Vorteil von den Finger der „Zweibeiner“, sie kommen einfach überall hin, erst recht an die Stellen, wo es am meisten juckt. Wir wanderten über Stunden mit den Pferden zusammen. Waren mit ihnen am Wasserloch und dösten mit ihnen auf einem Hochplateau. Das gleiche taten wir auch am nächsten Tag. Ich wusste ja, dass Pferde im Herdenverband leben, jedoch habe ich nicht erwartet, dass diese kleinen Herden sich auf ihrer Wanderung von Wasserloch zu Wasserloch zu einem großen Verbund von ca. 200 bis 300 Pferden zusammenschlossen. Die Hengste waren somit ständig gezwungen, ihre eigenen Herden in der großen Gruppe zusammenzuhalten und gegenüber den anderen abzugrenzen. Gerade in der Frühlingszeit gibt es vermehrte Hengstkämpfe, welche die Kraft dieser imposanten Geschöpfe widerspiegeln. Aber auch spielende Fohlen, sich sorgende Stuten und sich im Kampf übende Junghengste konnten wir beobachten. Und ich war mittendrin. Es war schlichtweg gesagt, der absolute Wahnsinn!
Auch zu Hause sind die Bilder der Wildpferde bei mir immer gegenwärtig. Ich habe gesehen, wie wichtig für diese Tiere freie Bewegung, Abwechslung und Sozialkontakte sind. Natürlich können wir unseren domestizierten Pferden daheim dieses freie Leben nicht so ermöglichen. Wir sollten aber versuchen ihren Bedürfnisse so gut, wie möglich gerecht zu werden. Ich bin froh mein Pferd in einem Aktiv-Laufstall halten zu können und es würde mir sehr schwer fallen, es in eine vergitterte Box zu stellen. Natürlich sind gerade in den deutschen Ballungsgebieten freie Land- und Weideflächen rar. Aber es ist schön zu sehen, dass der Trend in der Freizeitpferdehaltung immer mehr zur Offenstallhaltung geht und weg von den isolierten Einzelboxen. Damit meine ich jedoch nicht die wasserüberlaufenden Matschlöcher, sondern die befestigten, sauberen und mit Verstand genutzten Offenställe.
Die Wildpferde in Bosnien werden immer in meinem Herzen bleiben. Ihre Anmut, ihre Stärke und vor allem ihr stolzes und majestätisches Auftreten, sowie ihre gleichzeitige Sanftmut und Freundlichkeit, haben mich zutiefst berührt. Es ist hauptsächlich den Männern des Motoradclubs aus der Gegend von Livno zu verdanken, dass die Wildpferde dort überleben können. Diese selbsternannten Ranger verhindern das Stehlen der Jungtiere und das Töten der älteren Tiere aus Unverständnis oder reiner Profitgier. Ich hoffe sehr, dass alle Menschen dort erkennen, welches unschätzbare Gut die Wildpferde sind und wie wichtig es ist ihr freies Leben zu schützen. Ich für meinen Teil bin sehr dankbar für die wundervollen Stunden, die ich in der Mitte dieser faszinierenden Tiere verbringen durfte.